Eine Rolex unter 1000 Euro – geht das? (Rolex 6694 – Teil 2)

(Lesezeit: 4 Min.)

Um die Frage kurz und knapp zu beantworten: Ja, es geht – wenn man nach einer Vintage-Uhr sucht. Konkret: nach einer Rolex 6694. Wie man das am besten macht und was es dabei zu beachten gibt, könnt Ihr im ersten Teil dieses Artikels lesen. Denn heute soll es in erster Linie um eine Rolex Oysterdate Precision (6694) gehen, die ich vor einigen Jahren und zu einem moderaten dreistelligen Betrag auf ebay ersteigert habe – bewußt in einem „ordentlich gebrauchten“ Zustand und ohne Original-Metallband, Box und Papiere (siehe auch hier Teil 1).

Mittlerweile sind diese Uhren im Preis gestiegen und man muss schon etwas Geduld mitbringen, um sie unter/um 1000 Euro zu bekommen. Aber wie gesagt, es geht. Und nach meiner Erfahrung handelt sich sogar um eine gute Geldanlage – was für nahezu jede Vintage-Rolex gilt.

Aber zurück zu meiner Rolex Precision: Der Uhrmacher und Gutachter Ulrich Kriescher hat sie sich angeschaut und mir freundlicherweise einige Fragen schriftlich beantwortet.

Die wichtigste Frage vorab: Ist die Uhr original?

 

Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich bei der hier vorliegenden Uhr um eine originale Rolex 6694. Obwohl man in letzter Zeit immer vorsichtig mit dieser Aussage sein muss. Zurzeit gibt es eine Schwemme sehr gut gefälschter Zifferblätter aus Asien.

 

Wie schätzen Sie den optischen Gesamtzustand der Uhr ein?

Wenn man beachtet, dass diese Uhr schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel hat, muss man sagen, dass der optische Zustand des Gehäuses gut ist. Natürlich gib es Tragespuren, aber außer einem kleinen, etwas tieferen Einschluss auf dem Glasrand, gibt es keine weiteren tiefen Macken. Das Zifferblatt sieht am Rand etwas „angefressen“ aus. Das könnte durch einen Wasserschaden entstanden sein.

 

Wie schätzen Sie den technischen Zustand des Werks ein?
(Fotos vom Werk: hier und hier)

 

Traditionell wird im Uhrmacherhandwerk nach jeder Revision ein Reparaturzeichen im Innenteil des Gehäusebodens hinterlassen. Im Gehäusedeckel ist kein Zeichen eines Uhrmachers eingetragen. D.h., dass das Uhrwerk eigentlich noch jungfräulich sein müßte!? Dass jemand zumindest die Krone und die Aufzugwelle schon mal entfernt hat, ist allerdings gut sichtbar. Derjenige hat einen Schraubendreher verwendet, der etwas zu breit war, und hat damit die Platine ein wenig angekratzt – an der Stelle an der die Befestigungsschraube für die Aufzugwelle sitzt. Sonst sind alle Schrauben und Platinen okay.

Ganz wichtig! Kein Rost und Spuren von Korrosion sichtbar!

Sollte das Uhrwerk wirklich noch nie eine Revision erhalten haben, muss man sagen, dass die Gangwerte nach den ganzen Jahren noch recht passabel sind (das heißt nicht, dass das brauchbare Gangwerte sind)

Auf der Zeitwaage wurden folgende Werte erreicht:

 

  • Zifferblatt oben +5s/d Amplitude 224°
  • Zifferblatt unten -1s/d Amplitude 218°
  • Krone unten +9s/d Amplitude 202°
  • Krone links -9s/d Amplitude 217°
  • Krone rechts +28s/d Amplitude 187°
  • Krone oben -2s/d Amplitude 217°

 

Wenn man das 4-Lagendiagramm (Lagendifferenz von max. 37s/d / max. 10s/d sollten nicht überschritten werden) auswertet, und die starken Amplitudenschwankungen betrachtet, muss man sagen, dass das Uhrwerk revisionsbedürftig ist. Ob durch das jahrelange Laufen des Uhrwerks, ohne Revision, ein paar Zapfen der Räder verschlissen sind und getauscht werden müssen, kann man erst sagen, wenn das Uhrwerk komplett zerlegt worden ist. Auffällig ist, dass das Gewinde der Krone nur noch ½ Umdrehungen auf den Tubus geschraubt werden kann.

 

Was würden Sie empfehlen, hieran machen zu lassen? Was nicht? 

 

Eine Revision des Uhrwerks würde ich auf jeden Fall empfehlen + Krone ersetzen und eventuell auch den Tubus. Polieren würde ich persönlich das Gehäuse und das Glas nicht. Man darf meinen Uhren ansehen, dass die schon einiges mitgemacht haben und vintage sind. Das ist allerdings meine persönliche Meinung. Natürlich würde ich das Gehäuse auf Kundenwunsch auch polieren.

 

Was würde das kosten? Bzw. was kostet eine Revision bei Ihnen?

 

Die reine Revision dieses Uhrwerks kostet zurzeit in meiner Uhrmacherwerkstatt 250,- Euro. Folgende Arbeiten werden bei der Revision durchgeführt:

 

  • Ausbau des Uhrwerkes
  • Zerlegen des Uhrwerkes
  • Reinigen aller Uhrwerksteile
  • Zusammenbau des Uhrwerkes
  • Schmieren und Ölen aller relevanten Teile
  • Kontrolle auf sichere Funktion
  • Montage des Zifferblattes & der Zeiger
  • Reinigen des Gehäuses
  • Einbau des Uhrwerkes 
  • Kontrolle der Uhr auf Ganggenauigkeit

 

Ersatzteile werden gesondert berechnet.

 

Wie sieht es mit Ersatzteilen für dieses und andere Rolex-Modelle aus? Angeblich nimmt Rolex einige Uhren nicht mehr an. Und es gibt keine Ersatzteile. Stimm das?

 

Die Ersatzteilbeschaffung für Vintage-Uhren kann problematisch sein. Bei Rolex Uhren ist die Lage allerdings relativ entspannt, weil es noch genügend Ersatzteile gibt. Man muss sich nur die Mühe machen und weltweit suchen. Günstig sind die Ersatzteile allerdings im Vergleich zu andern Herstellern nicht.

Jetzt kommt das große „Aber“!

Wenn man Pech hat, kann man auch leer ausgehen. Ich habe für einen Kunden zwei Jahre lang ein bestimmtes Ersatzteil für seine Rolex Bubbleback gesucht, leider ohne Erfolg. Dass Rolex Deutschland Vintage-Uhren nicht mehr zur Revision annimmt, bzw. die originalen Zifferblätter gegen neue tauscht (und damit den Wert der Uhr extrem mindert) ist allseits bekannt.  In einschlägigen Uhrenforen wurde dann oft der Tipp erteilt, man soll die Uhr sofort nach Rolex Genf schicken. 

 

Kann man ohne weiteres das Zifferblatt tauschen?

 

Das vorhandene Zifferblatt kann ohne großen Aufwand gegen ein anderes originales Zifferblatt getauscht werden.

 

Was schätzen sie ist die Uhr in diesem Zustand in etwa wert?

Einen guten Anhaltspunkt für den ungefähren Wert der Uhr erhält man bei chrono24.de. Am 27.11.2015 wurden insgesamt 247 Rolex 6694 angeboten, im Preisrahmen von 1300 bis 3000 Euro. Das günstigste Angebot aus Deutschland betrug 1650 Euro, allerdings inkl. Stahlband.

 

Vielen Dank für diesen Einblick in meine Uhr. Im Großen und Ganzen kann ich sehr gut damit leben – vor allem, wenn ich bedenke, welchen Preis ich dafür vor einigen Jahren bezahlt habe. Selbst dann, wenn ich eine Revision reinrechne, liege ich noch immer weit unter 1.000 Euro. Ein anderes Zifferblatt – original und mit weniger Patina – wäre ebenfalls noch drin.

   

Zur letzten Frage und Antwort noch eine Anmerkung: In einem früheren Artikel habe ich bereits geschrieben, dass Chrono24 sich am besten für den Verkauf von Vintage-Uhren eignet – weniger für den (günstigen) Kauf. Aus dem einfachen Grund, weil die Preise dort immer etwas höher liegen als auf ebay. Man muss bei Chrono24-Angeboten schon gut handeln können, um auf vergleichbare Preise zu kommen. Das liegt wahrscheinlich an der höheren Anzahl an Händlerangeboten, die – so meine Vermutung – die Preise nach oben treiben. Ich selbst habe bisher nur eine Uhr auf Chrono24 gekauft – die meisten habe ich auf ebay ersteigert. Wie gesagt, dazu würde ich auch jedem raten – vorausgesetzt er berücksichtigt die Tipps, die ich im ersten Teil dieses Artikels gegeben habe.

Wer die wichtigsten Punkte berücksichtigt, der findet seine (erste) Vintage-Rolex unter diesen Suchbegriffen auf ebayRolex Precision und Rolex 6694 (Partnerlinks/Werbung*)

Tipp: Die Rolex-Tochter Tudor hat nahezu baugleiche Modelle im Programm gehabt – etwas günstiger und qualitativ auf fast demselben Niveau. Am besten sucht Ihr nach Tudor unter 1000 Euro (ebay-Partnerlink/Werbung*)

Zum Schluß noch einige Impressionen:

 

*Partnerlink/Werbung* – was ist das?

*Offenlegung/Transparenz: Als Ebay- & Amazon-Partner verdiene ich an qualifizierten Verkäufen.