Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn man als Uhren-Blogger eine Test-Uhr durchgehend tragen möchte – und sich jeden Morgen darüber freut, sie ein weiteres Mal umbinden zu können. Genau das ist bei mir und dem Retro-Chronographen namens HTD Safarigraph der Fall. Endlich mal wieder.
Der Grund dafür: Diese Uhr fühlt sich – zumindest für mich – so an, als würde ich einen waschechten Vintage-Chrono tragen. Konkret denke ich da an eine 60er-Jahre Rolex Daytona „Paul Newman“. Eine Uhr, die ich schon immer haben wollte, mir aber nie leisten konnte. Es sind vor allem die Maße (39 x 48 mm) und das Design des Gehäuses sowie des Zifferblatts, die mich an jene Vintage-Daytona mit „Exotic Dial“ denken lassen. Ein Prise Heuer ist auch noch dabei. Und das ist mit Sicherheit so beabsichtigt. Auf jeden Fall sprechen wir hier von einem Racing-Chronographen, der mir persönlich als der bisher gelungenste im Sortiment der jungen Microbrand HTD (Horological Tools Department) aus Italien erscheint.
Doch bevor wir zu der Microbrand selbst, den technischen Details & Co. kommen, erst einmal ein paar Impressionen dieses stark limitierten Bi-Compax Chronographen:
HTD Safarigraph Limited Edition (50 Exemplare):
Herrlich, oder? In Sachen Design stimmt hier eigentlich alles. Zumindest, wenn man auf Retro- und Vintage-Uhren steht. Über Kleinigkeiten lässt sich natürlich immer diskutieren. Es ist aber ziemlich eindeutig, dass hier jemand am Werk war, der sich ausgiebig mit Vintage-Uhren beschäftigt und einige Design-Elemente gut miteinander kombiniert hat. Besonders auffällig ist das stark gewölbte Plexiglas (Hesalit) und die recht einfache „Blechschließe“, wie man sie von alten Rolex-Uhren kennt. Das Band hingegen ist schön massiv. Das hat man den Vintage-Vorbildern zum Glück nicht nachempfunden.
Und so wie die Uhr aussieht, so trägt sie sich auch. Es lässt sich nur schlecht beschreiben, aber ich hatte immer das Gefühl, wirklich eine „alte Uhr“ zu tragen. In dieser Form hatte ich das noch bei keiner Microbrand. Großes Kompliment also an HTD.
HTD – Horological Tools Department aus Florenz
Damit sind wir auch bei der Marke selbst. Sie stammt aus der italienischen Uhrenstadt Florenz (u.a. Panerai), beide Gründer heißen Federico (Federico Del Guerra & Federico Zulian) und sind Designer. Wie bei vielen Microbrands begann alles auf Kickstarter – im Jahr 2020 und mit vier Retro-Chronographen.
Deren Namen waren: Hesagraph PureSpeed, Hesagraph Cannoli, Hesagraph X-RA und Jungle. Die Preise lagen bei während der Kickstarter-Kampagne um die 300 bis 400 Euro. Allesamt sind laut Website nun nicht mehr erhältlich – und der offizielle Preis liegt bzw. lag bei 750 Euro. Für denselben Preis bekommt ihr nun auch den Safarigraph, der auf 50 Stück limitiert ist.
Alles weitere erfahrt Ihr auf der Website von Federico und Federico. Doch Obacht: Der „Marketing-Geschwurbel-Faktor“ auf der Website ist, wie so oft bei Uhrenherstellern und Microbrands, leider sehr hoch… Am besten blendet Ihr das alles aus und konzentriert Euch dort nur auf das Uhren-Design, Daten & Fakten. Oder Ihr lest einfach hier weiter :)
Der HTD Safarigraph – die wichtigsten Daten & Fakten
Durchmesser/Maße: |
39 mm 48 mm (Lug to Lug) Höhe 15 mm (Gehäuse: 10 mm, Glas: 5 mm) |
Werk: | Seagull ST 1901 Handaufzug, reguliert von HTD |
Band: | Edelstahl, massiv (Schließe & End-Links nicht massiv) |
Besonderheiten: | Limitiert auf 50 Stück, Schaltrad-Chronograph, stark gewölbtes Hesalitglas (Plexi) |
Preis: | 750 Euro |
Das Werk:
HTD-Safarigraph: Mit Schaltrad- und Handaufzugwerk Sea-Gull 1901
Das Werk – ein Sea-Gull ST 1901 mit Handaufzug – ist gewissermaßen ein alter Bekannter. Ich habe es bereits im Zusammenhang mit einer anderen Microbrand besprochen – damals ging es um den LeMans 1952 Chronograph von Vintro.
Die Kurzfassung: Ja, es handelt es hierbei um ein Werk aus China. Allerdings ist es auch ein Werk, das ursprünglich aus der Schweiz stammt, unter dem Namen Venus 175 wesentlich bekannter und heute in der einen oder anderen Vintage-Uhr von Breitling zu finden ist. Der Hersteller Venus hat nämlich die Lizenz in den 60er Jahren offiziell an Tianjin Sea-Gull verkauft. Es kam sogar beim chinesischen Militär zum Einsatz und hat in den vergangenen Jahrzehnten einige Upgrades erhalten. Unter anderem eine Automatikfunktion (ST 1940, siehe Vintro), die der HTD Safarigraph leider nicht hat.
Das hat sicherlich etwas mit der Bauhöhe und/oder den Kosten zu tun. Dennoch: In meinen Augen hätte es sehr gern eine Automatik-Variante sein dürfen. Historie hin oder er. Zumal die nicht ganz so griffige Krone und die Maße des Safarigraph nicht wirklich zum genüsslichen Handaufzug einladen. Ich weiß, Hersteller sagen immer wieder wie „authentisch“ das sei – ich finde in erster Linie unkomfortabel und nicht mehr zeitgemäß. Microbrands wie Vintro (Partnerlink/Werbung) mit dem LeMans 1952 Chronographen oder MAEN mit dem Skymaster 38 (mm) in vergleichbarer Größe zeigen sehr schön, dass solche Retro-Chronos durchaus mit Automatikwerk umsetzbar sind. Vintro schafft es dabei sogar, unter 600 Euro (Partnerlink/Werbung) zu bleiben, MAEN liegt aufgrund des verwendetet ETA-Werks (Tri-Compax) über der 1.000-Euro-Marke.
Wie auch immer: Das ist Nörgeln auf hohem Niveau, denn der Safarigraph ist ansonsten wirklich rundum gelungen. Wer also kein Problem mit dem Thema Handaufzug hat und schon immer einen solchen Bi-Compax-Chronographen im Auge hatte, für den ist der Safarigraph auf jeden Fall ein guter Tipp.
Preis & Fazit
Der Preis liegt, wie gesagt, bei 750 Euro. Und das ist im Vergleich zu einem anderen vor kurzem erschienenen Retro-Chrono fast schon ein Schnäppchen. Gemeint ist der Hamilton Intra-Matic Chronograph, dem man einfach mal das Automatik-Feature genommen und in ein kleineres Gehäuse (40 mm) gesteckt hat:
… und nun rund 2.000 Euro dafür verlangt. Schön anzusehen, keine Frage. Aber dieser „Trend“ bzw. technische Rückschritt zum Handaufzug (und dafür sogar vierstellige Preise zu verlangen), erschließt sich mir irgendwie nicht. Erst recht nicht, wenn die Uhren dadurch nicht flacher werden. Das aber nur, um einen Vergleich herzustellen und den Preis von 750 Euro grob einordnen zu können.
Kommen wir zurück zum Safarigraph – und zu einem Fazit: Für einen derart gelungenen Chrono, in dieser Limitierung (50 Stück), ausgestattet mit einem Schaltradwerk, inklusive Vintage-Historie (Venus 175) kann ich einfach nur eine Empfehlung aussprechen. Es sei denn, Euch stört der Punkt mit dem Handaufzug. Dann bleibt nur Zähneknirschen :)
Und was mich angeht: Nun ja, ich würde es dieser Uhr dann doch irgendwie durchgehen lassen. Schließlich hatte die Rolex Daytona „Paul Newman“ ja auch kein Automatikwerk. Und die kostet heute in etwa 150 mal so viel… Im Vergleich dazu ist die HTD Safarigraph eindeutig die bessere Option. Und der bessere Deal – zumindest für die etwas kleineren Geldbeutel :)
Nachtrag:
Oben seht Ihr das mir vorliegende PR-/Test-Muster mit Glasboden (optional). Die reguläre Variante kommt mit Stahlboden und Limitierungsnummer auf dem Gehäuse (das „S“ gegenüber steht für Spec-Tech):
Und hier noch ein paar weitere Fotos vom Hersteller:
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