Kooperation (Was heißt das?) Vandaag – eine neue Microbrand aus Deutschland. Um die soll es heute gehen. – Doch vorher eine Frage: Wie sieht´s bei Euch aus? Habt Ihr das Thema Microbrands auch schon ein wenig über? Insbesondere den inflationären, sich ständig wiederholenden, nervtötenden Werbesprech (aka „Wording“), den die meisten Uhren-Newcomer vollkommen schmerzfrei in ihrer Kommunikation verwenden?
Falls ja, dann seid froh dass Ihr keinen Uhren-Blog wie ZEIGR betreibt. So bleibt Euch zumindest erspart, dass sich einige dieser Gründer (die sich nahezu immer für super-ausgebuffte Marketing-Experten halten) mit eben diesen abgedroschenen Worthülsen auch noch bei Euch melden. Natürlich tun sie das nur, um ihr Produkt (meist aber die eigene Person) möglichst wortreich in ein strahlend weißes Licht zu rücken. Das Resultat ist oft – eher das Gegenteil. Ich habe es bereits an anderer Stelle beschrieben und möchte mich nicht wiederholen. Wer es nachlesen möchte – im Artikel über Vintro-Uhren (Kooperation) findet Ihr mehr dazu.
Microbrands: Viel generisches Geschwafel vs. seltene Highlights
Aber: Ich muss fair bleiben. Schließlich könnten mir, während ich mal wieder mit den Augen rolle und das starke Verlangen verspüre, nicht weiterzulesen oder zu zuhören, interessante Uhren, Marken und Gründer entgehen. Das wäre schade – und neulich beinah passiert. Und zwar als mich die Gründer von Vandaag anriefen. Was übrigens ziemlich mutig ist, da man Uhren am Telefon schlecht zeigen bzw. ihre Features präsentieren kann.
Ich mache es kurz: Auch hier fielen einige (Standard-)Sätze. Doch zwei Aussagen bzw. Background-Infos weckten von einem Moment auf den anderen mein Interesse. Und die wären: Einer der Gründer ist der Sohn des ehemaligen Tutima-Verkaufsdirektors Günther Thomeczek. Dem wiederum haben wir Uhrenfans wohl die Tutima Military bzw. NATO-Uhr (mit) zu verdanken – laut Weser-Kurier. Zum anderen: Das Unternehmen hinter Vandaag ist kein Newcomer im Bereich Uhren. Im Gegenteil, es scheint bereits reichlich Uhren-Know-how vorhanden zu sein:
„Für Uhrenmarken auf der ganzen Welt haben Thomeczek und Benkus Uhren entwickelt und designt und zudem Firmen beraten – darunter beispielsweise Joop und das Schweizer Militär.“ (Quelle: Weser-Kurier)
Plus eine weitere recht bekannte Microbrand, die seit ein paar Jahren ziemlich gelungene Retro-Uhren auf den Markt bringt und auch schon hier im Blog stattgefunden hat. Mehr kann bzw. darf ich nicht verraten. Sorry… – Nur so viel, für mich waren das bereits zwei ziemlich gute Gründe, diese norddeutsche Microbrand etwas ernster zu nehmen und mir ihre Uhren genauer anzuschauen.
Kommen wir also direkt zum Retro-Chronographen Schallmauer – ohne weitere Umwege. Denn: Was es mit dem Namen Vandaag (Plattdeutsch für: „Heute“) genau auf sich hat und alles weitere, könnt Ihr auf der Website und der aktuellen Indiegogo-Kampagne nachlesen. Das muss ich nicht wiederkäuen :)
Vandaag Schallmauer Chronograph – reichlich Retro-Flieger-Gene
Passend zu dem oben erwähnten Tutima-Background handelt es sich um eine Fliegeruhr im Retro-Stil. Zur Verfügung gestellt hat mir Vandaag übrigens das Modell Heritage mit Bi-Compax und „Reverse Panda“-Zifferblatt und der Seriennummer 001:
Es gibt die Uhren auch noch in zwei weiteren Ausführungen: In Dunkelblau und komplett in Schwarz – mit DLC-Beschichtung (Diamond Like Carbon).
Und was soll ich sagen, diese Retro-Pilotenuhr hat mich auf Anhieb angesprochen. Nicht zuletzt, weil sie mir ziemlich vertraut vorkam… Der simple Grund: Die Vandaag Schallmauer kombiniert gleich mehrere Elemente klassischer Fliegeruhren – und deren Nachkommen. Einige davon habe ich in meiner Sammlung. Kein Wunder also.
Vergleich: Die sieht doch aus wie…
Um es noch anschaulicher zu machen, habe ich die entsprechenden Uhren herausgesucht. Es folgt ein kleiner Vergleich aka „Gegenüberstellung“:
Sieht man das? ;) – Vielleicht nicht auf den ersten Blick. Wenn man aber nur auf die Zifferblätter achtet, dann ist die Schallmauer gewissermaßen ein Mix aus dem Bi-Compax Zifferblatt (inkl. Zeiger) der Kemmner Military links (aka Heuer 1550, Sinn 155 etc.) und den vanille-gelben Ziffern (gealtertes Tritium) der Sinn 144 GMT rechts.
Etwas deutlich wird die Verwandtschaft der drei Uhren, wenn man sie sich als Lume-Shot anschaut:
Am meisten Ähnlichkeit hat die Schallmauer aber wohl mit der Kemmner bzw. Heuer 1550/Sinn 155 – von der wesentlich schmaleren Lünette mal abgesehen.
Die wiederum erinnert mich an eine Vintage Breguet Type 20 bzw. Type XX (leider nicht in meiner Sammlung):
Oder an eine Breitling Avi (Vintage & Re-Edition – Pressefoto) :
Weniger Lünette – mehr Zifferblatt
Zum Thema schmale Lünette noch eine Randnotiz: Anfangs bzw. auf den ersten Bildern der Schallmauer war ich davon nicht sonderlich begeistert. Aus rein ästhetischen Gründen – zumindest nach meinem (bisherigen) Geschmack. Nachdem ich aber die Vandaag Schallmauer am Arm hatte, musste ich feststellen, dass sie verdammt gut und schnell abzulesen ist. Eventuell sogar besser als das klassische Design der Kemmner. Das hat mich positiv überrascht. Der mögliche Grund dafür: Das „Weniger an Lünette“ ermöglicht ein „Mehr an Zifferblatt“ – und das wiederum bedeutet bessere Ablesbarkeit. Zudem wirkt das Zifferblatt optisch irgendwie „aufgeräumter“. Möglicherweise wegen der silbernen Totalisatoren und dem etwas höheren „Kontrast“ den diese Uhr zu haben scheint:
Kommen wir zum letzten Vergleich: Zum Gehäuse. Es scheint eine Mischung aus dem der Kemmner Military oben und dem meiner Sinn 103 zu sein. Ebenfalls mit einem „Inverse Panda“-Dial ausgestattet – jedoch mit drei Totalisatoren.
Weniger in der Draufsicht:
Dafür etwas mehr in der Seitenansicht:
Nicht identisch – aber ähnlich. Und das ist auch gut so. Zusammengefasst kann man sagen: Die Vandaag Schallmauer folgt einigen bekannten und klassischen Fliegeruhren-Designs – wenn auch in abgewandelter bzw. anders kombinierter Form. Auf jeden Fall aber ansprechend – erst recht, wenn man Fan von alten Fliergeruhren ist.
Und das rote Datum bringt eine zusätzliche (Farb-)Komponente rein. Allerdings erinnert auch dieses Rot an so manche alte Flieger-/Militäruhr. Und zwar jene mit dem legendären „3H“ auf dem Zifferblatt, der militärischen Kennzeichnung für Tritium:
Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an
Auch das also ein kleiner „Hint“ und Reminiszenz an die Pilotenuhren von damals :)
Vandaag Schallmauer – die Pros & Contras
Kommen wir nun zu den Ups & Downs der Vandaag Schallmauer. Die sind natürlich recht subjektiv. Bitte prüft selbst, was Euch davon wie wichtig ist – oder eben nicht. Und bitte behaltet immer im Hinterkopf, dass wir hier von einem erschwinglichen Retro-Chrono um/unter 300 Euro sprechen. Wer generell übertrieben besonders hohe Ansprüche an solche Uhren erhebt, der sollte vielleicht doch lieber nach einer Uhr für 3.000 Euro und mehr schauen ;)
Pro:
- gelungenes Retro-Design – angelehnt an diverse Fliegeruhren-Klassikern, gut umgesetzt und kombiniert
- gewölbtes Saphirglas – nicht selbstverständlich in dieser Preisklasse
- die Uhr wirkt in der Hand/am Arm wertiger und schwerer, als ich es von einer Quarz-Uhr erwartet hätte bzw. kenne
- Lederband aus Horween-Leder inkl. Schnellwechselsystem – fühlt sich gut an/angenehm weich, trägt sich gut
- zweiteiliges Nylon-Band – ebenfalls mit „Schnellverschluss“ separat bzw. im Bundle erhältlich
- Made in Germany bzw. in Sachen Uhren erfahrene deutsche Microbrand/Unternehmen dahinter
- 3 Jahre Garantie (statt 2 Jahre)
- Auflage limitiert – 999 Stück
- gelungene Präsentation/aufwändige Box
- Preise unter/um die 300 Euro (auf Indiegogo aktuell deutlich darunter – bis 28. Juli 2020) – damit preislich im selben Rahmen wie andere Uhren mit diesem Werk (Miyota 6S21, hier leicht modifiziert – Datumsscheibe)
Contra:
- das gewölbte Saphirglas hat aufgrund seiner Dicke einen leichten Lupeneffekt (laut Gründern, damit die Uhr bis 100 Meter wasserdicht sein kann)
- Armband – das Leder ist top, was das Design angeht, ziehe ich jedoch „taillierte“ Bänder vor (siehe ZEIGR-Straps). Wirkt aus meiner Sicht edler. In diesem Fall würde es bedeuten, dass das Band von 22 mm auf 20 mm zulaufen würde. Statt „straight“ von 22 mm auf 22 mm. Und ja, wir sind deswegen auch schon in weiteren Kooperationsgesprächen. Das Ganze könnte dann in etwa so aussehen (ZEIGR-Prototypen – nicht final):
- Das mitgelieferte zweiteilige Nato-Band könnte etwas „edler“ und weicher sein (siehe Test/Review der Traser P96 ODP Evolution Black)
- Datum – Form und Tiefe des Datumsfensters plus Farbe der Datumsscheibe sind nicht jedermanns Sache – siehe Uhrforum
- dort sorgten auch die (deutschen) Modellnamen ein wenig für „Verwirrung“. Haben aber wenig mit den Uhren selbst zu tun – bzw. man sieht den Modellen ja nicht an, wie sie im einzelnen heißen. Kategorie: Irrelevant, oder?
- silberne Totalisatoren der Heritage könnten in Weiß möglicherweise wertiger wirken. Bin aber kein Uhren-Designer.
- last but not least: Quarz – diese Uhr ist definitiv nichts für Mechanik-Fetischisten. Denn die bekommen hier mal wieder ordentlich Schnappatmung. Egal, wie gut das Design & Co. auch sein mögen ;)
Soweit also meine Einschätzung.
Alle weiteren Details & Infos erhaltet Ihr in dem folgenden Steckbrief. Und natürlich auf der Website (bzw. Indiegogo).
VANDAAG Schallmauer Chronograph – Steckbrief
Kurz und bündig – die technischen Details im Überblick.
Gehäuse:
- 42,5 mm Gehäusedurchmesser
- 50 mm von Lug to Lug
- 12 mm Gehäusedicke
- 22 mm Bandanstoss
- 316L Edelstahl
- Handgearbeitete Polierung
- 10 bar wasserdicht
- Push & Pull Krone (3-fach Dichtung)
Gehäuseboden:
- 3-dimensionale Prägung im Zentrum
- Individuelle Seriennummer
- Gehäuseboden in Gehäusefarbe gehalten (Stahl/Stahl; DLC/DLC)
Lünette:
- Stahl-Aluminium-Lünette (Aluminium Einlage)
- Einseitig drehbar (120 Klicks)
Glas:
- Kratzfestes Saphirglas
- Einseitig gewölbt
- 2-fache Entspiegelung (innen)
Zifferblatt:
- Mattiertes Zifferblatt veredelt mit LumiNova Leuchtmasse
(SG2200 auf den Versionen Horizont (blau) und schwarzes Biest (schwarz/DLC) sowie Beige auf der Version Tradition)
Werk/Kaliber:
- Miyota 6S21 veredelt mit eigener Datumsscheibe (rot mit weißen Ziffern)
Bänder:
A) Lederband:
- Handgenähtes, amerikanisches Horween Leder
- gewachste/geölte Obverfläche
- Massive Dornschließe
- Schnellwechselsteg
- 22 mm Bandbreite
B) Alternatives Nylonband
- Nylonband 2-teilig
- Doppelschichtig 2,4mm dick
- Massive Dornschließe
- Schnellwechselsteg
- 22,00mm Bandbreite
Garantie:
- 3 Jahre
Preis – VANDAAG Schallmauer Chronograph:
Versionen „Tradition“ und „Horizont“ (Stahlgehäuse, blaue/schwarze Aluminiumeinlage der Lünette) regulär 299 Euro.
(Indiegogo Super Early Bird: 224 Euro & Early Bird: 239 Euro)
Version „Schwarze Bestie“ (DLC) regulär 329 Euro (Indiegogo: Super Early Bird 246,- und Early Bird 259 Euro).
Crowdfunding – Video:
Weitere deutsche Microbrands, Microbrands allgemein & ein Lese-Tipp:
https://zeigr.com/microbrands-dan-henry-undone-circula/
–