Kooperation (Was heißt das?) – Eine kleine Warnung vorab. Die Einleitung dieses Artikels fällt in die Kategorie „Aus dem Leben eines Uhren-Bloggers“ und wird etwas länger :) Wer ohne Umweg zum Vintro-Chronograph möchte, klickt hier oder scrollt zu den Bildern runter.
Los geht´s: In meinem Postfach landen regelmäßig Anfragen von Unternehmen und Uhrenherstellern. Von bekannten, weniger bekannten und von komplett neuen Uhrenmarken, sogenannten Microbrands. Meist sehen diese Anfragen ziemlich gleich aus: Lobende und schmeichelnde Worte zu meinen Uhren-Blog (Danke!), Darstellen und Betonen der Leidenschaft, die in das neue und immer „sehr hochwertige“ Produkt geflossen sind, direkt gefolgt von der Frage nach einer möglichst kostenlosen Promotion Vorstellung der Uhr auf ZEIGR. Schließlich wäre es ja eine „Win-Win“-Situation für alle, da dieses Produkt meine Leser definitiv interessieren würde (Aha, wirklich?!). Manchmal bietet man mir sogar fertige Texte an und preist sie im Vorwege als „hochwertigen Content mit Mehrwert“ an (Ja, bestimmt…).
So leid es mir für die Schreibenden tut, aber es fällt mir zunehmend schwerer, solche Unternehmen und deren Agenturen auch nur ansatzweise ernst zu nehmen. Geschweige denn, die Mails bis zum Ende zu lesen. Zu floskelhaft und zu unglaubwürdig geht es da zu. Und viele scheinen zu vergessen (oder nicht zu wissen), dass ich mich dann doch ein wenig mit Uhren, Marketing & Co. auskenne. Zudem bin ich kein Teenie-Influencer, der jeden Mumpitz glaubt und bei allem dabei ist – eher das Gegenteil ;) Meine freundliche Antwort lautet also oft:
„Danke, aber danke nein.“
Erst recht, wenn die Uhr, das Design, das Preis-Leistungsverhältnis oder das dreiste zu selbstbewusste Auftreten und Gebaren des Unternehmens bei mir … sagen wir mal … eine Art Abwehrreaktion auslösen. Aber auch dann, wenn man mir mit Uhren, Geld, Reisen und Yachten (Scherz!) droht, lehne ich in solchen Fällen gern ab. Denn: Es muss passen. Wirtschaftlich betrachtet mag das hier und da unklug sein, aber das „Filtern“ gehört nun mal zum Konzept dieses Blogs.
Alles andere – überlasse ich gern anderen :)
Und warum Vintro?
Was also hat Vintro Watches anders gemacht, dass ich die Uhren hier vorstelle und dieser deutschen Microbrand mittlerweile sogar beratend zur Seite stehe? Ganz einfach: Der Gründer Uli Baka ist Vintage-Uhrensammler und Enthusiast – mit rund 20 Jahren Background. Davon konnte ich mich direkt im ersten und sehr sympathischen Telefongespräch überzeugen. Außerdem hat er seine riesige Sammlung (laut eigenen Angaben mehr als 1.000 Uhren über die Jahre) verkauft, um sich den Traum einer eigenen Uhrenmarke zu erfüllen. Nur eine Handvoll für ihn wichtiger bzw. gesuchter Modelle, hat er behalten (siehe Unsere Marke/Geschichte). Zudem setzt er auf Retro-Uhren – und die sind ja eh mein Ding. Plus: Er greift in seiner ersten Kollektion das Thema Telemeter auf, das aktuell nur wenige Uhrenhersteller/Microbrands im Programm haben. Genügend Gründe also, um mir den Vintro-Chronographen etwas genauer anzuschauen.
Und da ich ohnehin gerade weiße Uhren (siehe hier) auf dem Zettel habe, werfen wir doch einen gemeinsam Blick auf die weiße Variante seines Chronos:
Vintro-Chronograph Le Mans 1952 – Automatik
(Oben & unten: Braunes ZEIGR-Lederband – nicht im Lieferumfang des Herstellers enthalten, siehe dazu Shop)
Und die wichtigsten Daten & Features gleich hinterher:
Le Mans 1952 Chronograph
Limitierung: 500 Stück
Uhrwerk: Sea-Gull ST1940 (aka Venus 175), Automatikwerk mit Schaltrad und 21.600 Halbschwingungen/Stunde
Gangreserve: ca. 36 Stunden
Anzeige: Stunde, Minute, permanente Sekunde, zentrale Stoppsekunde, 30-Minuten-Stopper, Tachymeter, Telemeter
Gehäuse: 316L Edelstahl, verschraubter Edelstahlboden mit Saphirglas
Durchmesser: 40 mm
Gehäuselänge (Lug to Lug): 48 mm
Höhe inkl. Glas: 15 mm
Bandanstoß: 20 mm
Gewicht: 75 g
Wasserdichtigkeit: 10ATM / 100m
Glas: Kratzfestes, gewölbtes und innen entspiegeltes Saphirglas
Garantie: 2 Jahre
Neuauflage eines historischen Uhrwerks: Sea-Gull St1940 vs. Venus 175
Neben dem offensichtlichen Retro- und 50er-Jahre-Design dürfte wohl das Werk mit das auffälligste Merkmal dieses Bi-Compax-Chronographen (Watch-Wiki) sein. Und tatsächlich verbirgt sich hinter dem hier verwendeten Sea-Gull ST1940 das eine oder andere interessante Fakt. Beginnen wir mit dem, was oberflächliche Uhrenfreunde zunächst die Nase rümpfen lässt und die etwas bewanderteren erfreuen dürfte. Denn es handelt sich bei diesem Sea-Gull um ein in China produziertes Uhrwerk (Pffff…), das auf einem alten Schweizer Werk namens Venus 175 basiert (Oh!). Das wiederum findet Ihr heute noch in einigen Vintage-Chronos von Breitling.
Die meisten denken nun sicherlich: Ah, eine dreiste Kopie. Mitnichten: In den 60er Jahren hat der Schweizer Hersteller Venus (Fabrique d’Ebauches Vénus S.A.) die Lizenz und die Produktionsanlagen für dieses Werk an Tianjin Sea-Gull verkauft. Das Ganze lief also ziemlich offiziell ab. In China kam es dann sogar beim Militär zum Einsatz – in Form von Fliegeruhren (Watch-Wiki). Uli Baka hat sich nun genau dieses bewährte Werk für seinen Retro-Chrono ausgesucht. Allerdings nicht in der ursprünglichen Form mit Handaufzug, sondern etwas zeitgemäßer als Automatik-Version. Gewissermaßen ein Upgrade. Und was man ebenfalls erwähnen sollte: Es handelt sich hierbei um ein Schaltradchronographen-Werk.
Wem das nichts sagt:
Die aufwendigere Variante ist der Schaltradchronograph. Bei diesem wird die Start-, Stop-, und Nullstellung der Zeiger über ein neunzähniges Säulenrad, später auch Schaltrad genannt, gesteuert. Die handwerklich sehr anspruchsvolle Fertigung dieser Technik wird heute nur noch in seltenen Fällen durchgeführt. Daher stellen Uhren mit dieser in den 30er und 40er Jahre verbreiteten Konstruktion heute gesuchte Sammlerstücke dar. (Siehe auch: Kolonnenrad). Quelle: Uhren-Wiki
Sea-Gull ST1940 (Venus 175) – hier mit blauem Schaltrad auf „12 Uhr“
Vintro Chronograph Le Mans 1952 – Made in Germany (Straight out of Pforzheim)
Damit sollten die meisten Nasen nun wieder entrümpft sein, oder? ;) – Aber im Ernst: Allein hieran erkennt Ihr, dass sich Uli und sein kleines, familiäres Vintro-Team (Schwester & Schwager) bei dieser Uhr den einen oder anderen Gedanken mehr gemacht haben. Und das zieht sich komplett durch, wenn man diesen Vintro-Chronograph in der Hand hält und anschaut. Zu bemängeln hätte ich nur wenig an der Uhr. Und wenn, dann sind es wirklich Kleinigkeiten. Zum Beispiel hätte das Schriftbild des Logos auf dem veredelten Rotor etwas „schärfer“ sein können. Und auf der Gehäuserückseite sieht man noch ein paar „Fertigungsspuren“ im Bereich des Bandanstoßes, die nicht poliert worden sind. Das war´s dann aber auch schon. Ansonsten ist diese auf 500 Stück limitierte Le Mans sehr schön verarbeitet und macht einen wertigen Eindruck. Auch am Handgelenk – man hat immer das Gefühl eine ordentliche Uhr zu tragen.
Und ähnlich wie bei der vorgestellten und ebenfalls in Pforzheim montierten Circula Klassik Automatik, kann ich auch hier sagen: Die finale Fertigung in Deutschland bzw. das „Made in Germany“ auf dem Zifferblatt merkt man dieser Uhr an.
Telemeter – und was mach ich damit?
Kommen wir zu der oben erwähnten Telemeter-Funktion, die auf dem Zifferblatt in Form eines roten Kreises bzw. Skala ein zusätzliches Feature darstellt. Hier mache ich es mir besonders leicht und zitiere einfach mal aus der Pressemitteilung, an der ich nicht unbeteiligt war ;)
Eine weitere Besonderheit des Le Mans 1952 ist das Telemeter-Design, das in Form einer roten Skala auf dem Zifferblatt zu finden ist – zusätzlich zu der für Racing-Chronographen typischen Tachymeter-Skala (Geschwindigkeitsmessung).
Die rote Telemeter-Skala ermöglicht es, die Entfernung zu ermitteln, die ein akustisches Signal in der Ferne bis zur eigenen Position zurücklegt. Oder anders: Mit ihr lässt sich zum Beispiel die Entfernung eines Gewitters ermitteln. Dazu startet man den Chronograph, wenn es blitzt und stoppt ihn, wenn etwas später der Donner zu hören ist. Über den Sekundenzeiger kann man nun auf der Telemeter-Skala ablesen, wie weit das Unwetter noch entfernt ist. Diese Funktion kam früher vor allem beim Militär zum Einsatz. Mittels Mündungsfeuer und Kanonengeräusch ließ sich die Entfernung des Gegners ermitteln.
Rot: Telemeter-Skala, Blau:Tachymeter (Funktion s. Wikipedia)
Ihr seht also, es handelt sich hierbei nicht nur um nostalgische Design-Elemente, es steckt tatsächlich eine praktische Funktion dahinter. Und auch, wenn man diese Funktionen heute kaum noch benötigt, früher machten sie Uhren zu echten Messinstrumenten und Multitalenten. Die Breitling Navitimer mit ihren zig Skalen ist hierfür übrigens das beste Beispiel – wenn auch ein recht unübersichtliches ;)
Fazit & Preis:
Kommen wir zu den Punkten, für wen diese Uhr etwas sein könnte, ob der Preis von 599 Euro angemessen ist und welche Alternativen es gegebenenfalls noch gibt.
Zum Preis: Zugegeben, anfangs dachte ich, das ist nicht gerade wenig Geld. Erst recht für so eine Newcomer-Marke bzw. Microbrand. Aber: Man muss sich vor Augen halten, dass wir hier von einem mechanischen Chronographen mit Schaltradkaliber auf Basis des Schweizer Uhrwerks Venus 175 sprechen, das zudem ein Upgrade zur Automatik-Uhr erhalten hat. Wer also auf der Suche nach einem Retro-Schaltrad-Chronographen ist und sich die Uhren der etablierten Hersteller für mehrere Tausend Euro bisher nicht leisten konnte, der findet hier eine gut durchdachte Alternative „Made in Germany“. Ein vorurteilsfreies Anschauen könnte sich lohnen – und ein Blick ans Ende dieses Artikels ;)
Darf´s etwas mehr sein?
Und was auf keinen Fall unerwähnt bleiben sollte: Der Lieferumfang. Denn der beinhaltet weitere Bänder nach Wahl (je ein Leder-, Nato- und Metallband), ein Bandwechsel-Werkzeug, Ersatz-Federstege und eine große Box, in der alles ordentlich verstaut ist:
Auch hier merkt man, dass sich jemand Gedanken gemacht hat bzw. dass man etwas (mehr) für sein Geld bekommt.
Wem der Preis nun immer noch zu hoch ist, das 50er-Jahre-Retro-Design aber gefällt, dem rate ich zur Quarz-Version. Mit 249 Euro (Textilband) seid Ihr dabei. Dafür bekommt Ihr – rein äußerlich betrachtet – fast dieselbe Uhr. Einzig mit dem Unterschied, dass im Inneren das von vielen Uhren-Fans geschätzte Seiko Meca-Quarz-Werk (VK64A) schlägt und die Uhr keinen Sichtboden hat. Dafür aber diesen gravierten Edelstahlboden:
Vintro Telemeter-Chronograph – Alternativen
Last but not least: Welche Alternativen gibt es? So manchen Uhrenkenner dürfte hier die russische Uhrenmarke Strela (Wikipedia) einfallen – wie ich unter anderem im Uhrforum lesen konnte. Und tatsächlich findet man dort ähnliche Retro-Designs. Die Uhren haben (meines Wissens) aber meist ein Handaufzugswerk, mitunter einen etwas niedrigeren Preis und auf dem Zifferblatt geht es recht kyrillisch und ein wenig markanter zu. Muss man natürlich mögen :)
Eine weitere Alternative wäre zum Beispiel dieser Telemeter-Chrono von Union Glashütte. Ebenfalls limitiert, Made in Germany und dem Oldtimer-Rennsport (Sachsen Classic 2018) verbunden:
Eine schöne Uhr – keine Frage. Einzig beim Preis sieht es anders aus, denn der liegt bei 2.570 Euro. Und nur fürs Protokoll: Das gilt in der Uhrenwelt, vor allem für eine Glashütter Uhr, noch als „günstig“. Ach ja, ein Schaltrad-Kaliber bekommt hier übrigens nicht ;)
Soweit also meine Einschätzung und Einordnung in Sachen Preis und Alternativen zum Vintro-Chronographen Le Mans 1952. Der Rest ist natürlich Geschmacksache und komplett Euch überlassen.
Und noch ein Schmankerl zum Schluss :)
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Mehr zum Thema Microbrands:
https://zeigr.com/microbrands-dan-henry-undone-circula/