„Vielleicht hätte ich doch noch den einen oder anderen Hersteller besuchen sollen.“. Dieser Gedanke kam mir am Ende meines ersten Besuches in Glashütte. In dem Moment fuhr ich gerade an dem Gebäude von Union Glashütte vorbei – kurz vor dem Ortsausgang. Ein anderes Mal vielleicht. Der Trip war zu Ende. Und einfach mal unangemeldet an der Tür klingeln und „Hallo!“ sagen, war auch irgendwie keine Option…
Aber, wie es der Zufall so wollte: Ein paar Monate später erhielt ich die Einladung zu einer Pressereise – eben von Union Glashütte. Zum 125-jährigen Jubiläum des Unternehmens. Inklusive der Enthüllung eines Jubiläumsmodells, der Möglichkeit, eine Sonderausstellung im Uhrenmuseum zu besuchen und den Union-Chef Adrian Bosshard zu sprechen. Kurzum: Ich sagte zu.
Glashütter Uhren – High Class zu hohen Preisen?
Keine Frage. Uhren aus Glashütte sind alles andere als günstig. Sie sind eher ein Synonym für teure Uhren bzw. Luxusuhren aus Deutschland. Und die kosten gern mal ein paar Tausend Euro. Hohe vier- bis sechsstellige Preise findet man bei den Uhrenmarken A. Lange & Söhne und Glashütte Original problemlos.
Und dennoch gibt es einige Uhrenhersteller aus Glashütte, die – sagen wir mal – vergleichsweise „moderat“ in ihrer Preispolitik sind. Im vergangen Jahr habe ich Euch aus diesem Segment bereits Uhren von Tutima und Mühle Glashütte vorgestellt. Heute soll es um eine weitere Marke gehen, die sich preislich zwar in einem gehobenen, aber noch nicht komplett abgehobenem, Preissegment bewegt. Wir sprechen hier von Uhren der Marke Union Glashütte und Preisen, die bei 1.100 Euro für eine Dreizeiger-Uhr der Viro-Modellreihe beginnen:
Etwas edler und noch mehr in Richtung Retro-Dresswatch – die Noramis Datum (40mm) zum Preis von 1.480 Euro:
Nicht zu vergessen: Die Chronographen – sie beginnen bei 1.980 Euro. Und auch das ist – verglichen mit anderen Marken in diesem Segment – noch „moderat“.
Die Retro-Chronos aus der Belisar-Reihe habe ich Euch ja bereits hier vorgestellt. Auch sehr schön – dieser Noramis Chronograph (Preis ab 2.550 Euro):
Union Glashütte – Hidden Champion seit 125 Jahren?
Wie gesagt, Union Glashütte gibt sich redlich Mühe, dass man als Kunde möglichst viel Uhr für sein mühsam erspartes Geld bekommt. Und das nicht erst seit gestern – sondern seit 125 Jahren. Denn der Gründer und Uhrengroßhändler Johannes Dürrstein setzte früh auf erschwingliche Uhren aus Glashütte. Er konnte damals tatsächlich A. Lange & Söhne, deren teuren Präzisionsuhren er exklusiv vertrieb, davon überzeugen, ihm einfachere und erschwinglichere Uhren zu bauen. Das Konzept kam an – die Uhren verkauften sich gut. Im Januar 1893 war dann die offizielle Geburtsstunde der Uhrenfabrik Union, Glashütte i.S. Heute gehört das 1996 neu gegründete Unternehmen zur Swatch Group – ebenso wie die „große Schwester“ Glashütte Original, in deren Schatten sie noch immer steht. Zu Unrecht.
Die Jahreszahl 1893 ist übrigens heute noch sehr präsent bei Union. Eine komplette Modellreihe ist nach ihr benannt. Sehr klassisch – sehr Glashütte. So wie diese 1893 mit kleiner Sekunde zum Preis von 1.780 Euro:
Kann sich sehen lassen, oder? Und diese Uhr zeigt auch sehr schön, was ich mit der Aussage „Viel Uhr fürs Geld“ meine. Denn: Wolltet Ihr ein ähnliches Modell bei den großen Namen aus Glashütte kaufen, würdet Ihr ein Vielfaches des oben genannten Preises hinlegen müssen. Gut, dafür gäbe es dann ein sehr aufwändig produziertes und verziertes Glashütter Manufakturwerk, das den Preis vielleicht rechtfertigen mag. – Bei Union hingegen veredelt man lieber bewährte Standardwerke des ebenfalls zur Swatch Group gehörenden Herstellers ETA. Vernünftige Qualität mit der Kennzeichnung „Glashütte/SA“ bzw. „Made in Germany“ bekommt Ihr aber auch hier.
Wer also keine Haute Horlogerie am Handgelenk braucht und einfach nur nach einer stilvollen Uhr in diesem traditionellen Design sucht, der sollte sich die Modellreihe „1893“ auf jeden Fall mal anschauen. Und wem der oben genannte Preis noch immer zu hoch erscheint, für den könnte die hier vorgestellte Marineuhr eine Alternative sein. Mich persönlich sprechen diese Art von Uhren ja generell an. Entdeckt habe ich sie bei Union, zugegebenermaßen, erst vor kurzem.
1893 Johannes Dürrstein Jubiläumsedition von Union Glashütte
Zu derselben Reihe gehört nun auch das eingangs erwähnte Jubiläumsmodell, das Union im Dezember 2017 offiziell im Glashütter Uhrenmuseum präsentierte. Hier ein paar Live-Bilder der nicht limitierten Edelstahl- und der auf 125 Stück limitierten Goldversion:
Ein paar technische Details: Im Inneren dieser Uhren schlägt ein eigens hierfür konzipiertes Werk mit Handaufzug (UNG-56.01, auf ETA-Basis) und 60 Stunden Gangreserve inklusive Anzeige auf „5 Uhr“. Die Entwicklungszeit soll zwei Jahre in Anspruch genommen haben. Und typisch für Glashütter Uhren hat das Werk eine Dreiviertel-Platine. Der Durchmesser liegt bei 41 mm und die Preise bei 2.350 Euro für die Edelstahlversion und 7.950 Euro für die limitierte Variante in Roségold.
Obwohl mich das Gold-Modell weniger anspricht und für mich persönlich nicht in Frage käme, war ich doch ein wenig überrascht bezüglich des Preises. Ich hätte hier locker auf über 10.000 Euro getippt.
Die Uhr mit ihren rund 8.000 Euro zwar noch immer Lichtjahre davon entfernt als „günstig“ durchzugehen, wer aber zu der Käufergruppe edler und limitierter Golduhren gehört, dürfte diesen Preis aber aber zumindest „interessant“ finden. Für alle anderen gibt es die Edelstahlvariante – die ist preislich wesentlich attraktiver ;)
Soweit also zu einer kurzen Vorstellung der Union-Modellreihen und meinen persönlichen Favoriten. Es gibt natürlich noch einige weitere Modelle zu entdecken – im Preisbereich von 1.000 bis 3.000 Euro. Unter anderem eine Pilotenuhren, die man derzeit noch auf der Website und auch sonst (ebay-Partnerlink/Werbung) findet, aber offenbar von einer neueren abgelöst wurde. Hier die ältere Belisar Pilot Gangreserve (45mm, Ref. D002.624.16.057.00):
Kommen wir nun zu ein paar weiteren Themen und Gedanken rund um Union Glashütte:
Union Glashütte – im Gespräch mit Adrian Bosshard
Wenn man schon die Möglichkeit bekommt, den Chef einer Glashütter Uhrenmarke zu sprechen, dann nutzt man sie auch. In diesem Fall mit dem Schweizer Adrian Bosshard. Ich war sehr gespannt, welche Insights mir der Präsident von Union Glashütte geben konnte. Kurz zu ihm: Er ist ehemaliger Motorradrennfahrer und neben dem Job als Union-Chef steuert er noch Certina – eine weitere Uhrenmarke der Swatch Group. Und wie es sich für einen Schweizer gehört, schwärmte er im Gespräch selbstverständlich von Uhren und den Emotionen, die sie in einem wecken können :)
Mich interessierte vor allem, wie er den „typische Kunden“ von Union Glashütte beschreiben würde, worin sich Union-Uhren von denen anderer Marken mit denselben (Basis-)Werken unterscheiden und was er zum Thema Online-Vertrieb zu sagen hat.
Beginnen wir mit dem „typischen Union-Käufer“. Laut Adrian Bosshard handelt es sich hierbei um jemanden, der eine Luxusuhr zu einem vernünftigen Preis kaufen und besitzen möchte. Die Altersstruktur liege bei circa 30 bis 35 Jahren aufwärts. Und für viele Käufer sei Union der Einstieg in die Welt der gehobeneren mechanischen Uhren. Ein gewisser Qualitätsanspruch sei aber schon vorhanden. Es wurde zwar nicht ausdrücklich gesagt, aber ich gehe mal davon aus, dass der typische Käufer eher männlich als weiblich ist (trotz einer vorhandenen Damenkollektion).
Auf die Frage, warum Union verstärkt auf das Thema Motorsport setzt, der ja auch seine persönliche Leidenschaft ist, antwortete Bosshard, dass Uhrenliebhaber generell technikbegeisterte Menschen seien. Also von Haus aus eine hohe technische Affinität mitbrächten. Und so würden auch Uhren und Motorsport hervorragend zusammenpassen. – Nicht abwegig. Denn wenn man sich ein wenig in der Uhrenwelt umschaut, dann gehören Motorsport, die Fliegerei und die Raumfahrt nach meinem Empfinden zu den beliebtesten – wenn auch leicht inflationären – Themenwelten, die Uhrenhersteller immer wieder aufs Neue für sich besetzen wollen.
Bei der Frage, warum man Union-Uhren nicht direkt und online beim Hersteller kaufen kann, bekam ich folgende Antwort: In Deutschland gäbe es genügend offizielle Händler und ein gut ausgebautes Vertriebsnetz, über das jeder Kunde eine Union Glashütte beziehen könne. Ein direkter Online-Vertrieb sei darum hier kein Thema. Anders hingegen in Ländern wie China oder den USA. Dort gäbe es aufgrund der Größe dieser Länder einfach keine vergleichbare Vertriebsstruktur. Da biete sich ein Online-Vertrieb auf jeden Fall an.
Und genau hier wollte ich nun schreiben, warum die sonst so betont serviceorientierte (Luxus-)Uhrenbranche ihren deutschen Kunden diesen einen heute so selbstverständlichen Service vorenthält. Und das im Jahr 2018. Doch eine kurze Recherche belehrte mich eines Besseren.
Man kann Uhren von Union Glashütte sehr wohl online kaufen. Und das sogar bei offiziellen Partnern/Konzessionären, wie zum Beispiel der Juwelierkette Christ oder dem Konzessionär Brogle (zeigr-Kooperationspartner). Ich bin selbst ein wenig erstaunt, dass sich in der Uhrenbranche etwas tut… Wenn auch nicht bei den Größten der Branche, sondern eher bei den etwas „kleineren“ Marken.
Und noch ein Tipp: Wer Union-Uhren noch günstiger haben bzw. lieber nach gebrauchten und älteren Modellen schauen möchte, der wird natürlich auch auf Plattformen wie (Partnerlink/Werbung) & Co. fündig. Auch hier gibt es seriöse Händler.
Union Glashütte – das Preis-/Leistungsverhältnis
Kommen wir zu den Qualitätsmerkmalen einer Union-Uhr. Wie gesagt, Union setzt wie viele andere Hersteller auf bewährte Schweizer ETA-Werke. Und die bekommt das Unternehmen sicherlich zu hervorragenden Konditionen. Schließlich ist ETA eine Konzernschwester innerhalb der Swatch Group. Damit die Uhren aber ein Glashütte/SA auf dem Zifferblatt tragen dürfen, muss Union mindestens 50 Prozent in Glashütte fertigen. Also veredelt man die ETA-Basiswerke. Unter anderem mit eigenen Teilplatinen, eigenem Rotor, diversen Schliffen und einer eigenen Reglage (Einstellen der Ganggenauigkeit).
Laut Adrian Bosshard sei hier das Ziel, die verwendeten Standard-Kaliber auf ein neues bzw. höheres Level zu heben. Und die Wertschöpfungstiefe „Made in Glashütte“ setzt er deutlich über der geforderten 50-Prozent-Grenze an – bei etwa 70 Prozent.
Zusammengefasst bedeutet das: Union kauft bewährte ETA-Werke vergleichsweise günstig bei der Konszernschwester ETA ein, veredelt sie aufwändig in Glashütte – technisch wie optisch – und bietet sie dann zu einem recht konkurrenzfähigen Preis-/Leistungsverhältnis im gehobenerem Segment von 1.000 bis 3.000 Euro an (von einigen Ausreißern nach oben mal abgesehen).
Da stellt sich natürlich die Frage, ob sich die Swatch Group mit dieser weiteren Glashütter Uhrenmarke, nicht eine eigene Konkurrenz zu Glashütte Original geschaffen hat. Aus meiner Sicht lautet die Antwort „Nein“. Es ist eher eine clevere Erweiterung der Zielgruppe. Denn wer sich keine Glashütte Original leisten kann (oder will), wird früher oder später bei Union Glashütte landen. Und umgekehrt: Wer bereits eine Union Glashütte besitzt und den „Next Step“ in Sachen Glashütter Uhren ghen will, wird früher oder später auf Glashütte Original stoßen.
Fazit
Wenn es um die Bezeichnung „günstige Uhren“ geht, dann kann Union sicherlich nicht punkten. Da gibt es ganz andere Kandidaten. Wenn es aber um anspruchsvolle mechanische Uhren aus Deutschland – speziell Glashütte – geht, dann bekommt Ihr hier ziemlich viel mechanische Uhr für Euer Geld. Wer also eine „gute Uhr“ sucht und bereit ist, etwas mehr auszugeben, der könnte bei Union gut fündig werden.
Und noch eine ganz persönliche Anmerkung: So schön und beliebt die Uhren von Nomos Glashütte auch sein mögen – ich empfinde die hier gezeigten Dreizeiger-Uhren von Union und auch die neulich vorgestellte Mühle Glashütte als angenehme Alternative und Abwechslung.
Gibt es etwas an Union Uhren zu bemängeln? Nicht viel. Nur bei manchem Modell wünschte ich mir das Logo etwas dezenter. Weniger prominent. Bei der einen oder anderen Uhr passt es einfach nicht zu dem sonstigen Understatement des Zeitmessers. Und auch die etwas „moderneren“ und neueren Modelle bei Union sind nicht immer mein Fall. Aber das ist Geschmacksache – es gibt ja genügend klassische Modelle für Vintage- und Retro-Fans wie mich :)
Und nun noch ein paar Fotos von der Sonderausstellung im Glashütter Uhrenmuseum und einigen aktuellen Modellen. Weiter unten folgen noch ein paar Link-Tipps.
Uhrenmuseum Glashütte:
Union Glashütte – Modelle:
Mehr zur Historie:
https://www.glashuetteuhren.de/die-uhrenfabriken/glashuetter-uhrenfabrik-union-duerrstein-co/
https://de.wikipedia.org/wiki/Union_Uhrenfabrik
Union Glashütte auf Instagram:
https://www.instagram.com/unionglashuette/
Weitere Artikel zur Union Glashütte 125-Jahre-Jubiläumsedition:
ManufaktUhr – Uhrenblog:Union Glashütte 1893 Johannes Dürrstein Limitierte Jubiläumsedition
Luxify: 125 Jahre Union Glashütte
Maenner-Style.de:
Union Glashütte – Ein Ausflug nach Glashütte – Auf den Spuren von Johannes Dürrstein
Watchtime.net: Union Glashütte: 1893 Johannes Dürrstein Limitierte Jubiläumsedition
Capital: Interview mit Adrian Bosshard
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